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Erster Weltkrieg

Die englische Frauenbewegung während des Ersten Weltkrieges

Der erste Weltkrieg war der erste Krieg, der mit Waffen geführt wurde, die eine Massenvernichtung ermöglichten. In den Gräben starben Millionen Menschen. Größtenteils Männer. Doch wie wirkte sich dies an der Heimatfront aus? Was bedeutete das für die englische Frauenbewegung?

1. Einleitung

Dass man sich von seinen Genen nicht emanzipieren kann , ist zwar im Kontext der Evolutionsbiologie von Darwin hergeleitet, jedoch wurden solche oder ähnliche Aussagen über Frauen und ihre Rolle in der Gesellschaft häufig geäußert. Dass (be-)herrschende Patriarchat, das die Machtverhältnisse unangetastet lassen wollte, wurde allerdings ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts vermehrt durch feministische Organisationen bekämpft. Jene Organisationen stellten aber keine einheitliche Front dar, die gemeinsame Ziele und Aktionen planten. Auf der einen Seite gab es Vereine, die friedlich und auf kooperative Weise versuchten, die Stellung der Frau in der englischen Gesellschaft zu verbessern. Auf der anderen Seite jedoch waren auch Organisationen vorhanden – allen voran die Women’s Social and Political Union – , die radikale und militante Vorgehensweisen vorgezogen haben. Auch waren die Intentionen der unterschiedlichen Parteien nicht einheitlich. Während Fraktionen das Wahlrecht für Frauen unumgänglich fanden, war für andere wichtiger, dass Frauen der Zugang zu Bildung und Arbeit geöffnet werden sollte. Diese Arbeit soll den letzteren Ansatz verfolgen und klären, inwiefern Veränderungen durch den Zugang der Frauen zu Beschäftigung vonstatten gegangen sind. Dabei beschränkt sie sich auf die Arbeitsbereiche Landwirtschaft, Krankenschwestern und Fabrikarbeiterinnen während des Ersten Weltkrieges und soll sich auf mögliche Veränderungen im Gebiet der familiären Rollenverteilung und der Arbeitsbedingungen spezialisieren.

2. Männer an die Front, Frauen an die Arbeit

Die Zeit, in der Frauen die Berufe der Männer aufgrund des Krieges verrichteten, ist nicht nur durch den Ersten Weltkrieg geprägt, sondern ebenso von der langsamen Auflösung der traditionellen Geschlechterrollen. Frauen begannen bereits in der viktorianischen Zeit, eine Gleichberechtigung voran zu treiben. Dementsprechend führte ein steter Aktionismus der feministischen Bewegung teilweise zu Erfolgen. Jedoch sahen sich die Suffragetten und andere feministische Kreise ebenfalls einer entschlossenen und vor allem mächtigen männlichen Opposition konfrontiert.

Frauen, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg arbeiteten, wurden zum größten Teil im häuslichen Bereich beschäftigt. Für andere Berufszweige, die körperlich anstrengender waren, wurden zum Teil Verbesserungen vorgenommen, um die Arbeit weniger beschwerlich zu machen. So wurde beispielsweise 1833 Frauen die Arbeit unter Tage verboten. 1842 wurde für Frauen und Kinder in der Textilindustrie eine tägliche Arbeitszeitbeschränkung von zehn Stunden beschlossen. 1867 wurde dieser Beschluss auf alle Fabriken mit mehr als 50 Beschäftigten ausgedehnt . Diese Vorgaben führten allerdings dazu, dass viele Arbeitgeber nicht mehr gewillt waren, Frauen einzustellen.

In der Entwicklung der Beschäftigung für Frauen in den Kriegsjahren gab es drei Stufen: 1. Die Ausbreitung der Frauen in angestammten Berufen, wie z.B. Textil- und Bekleidungsindustrie; 2. Die Ablösung der Männer in ihren Berufen durch Frauen, damit die Männer an der Front kämpfen konnten; 3. Die Konzentrierung von Frauen in neu errichteten Munitionsfabriken der Regierung . Bei Kriegsausbruch wurden Frauen also aufgrund der Kriegswirtschaft und den fehlenden männlichen Arbeitskräften vermehrt für Tätigkeiten eingesetzt, die zuvor den Männern vorbehalten waren. Im Jahr 1911 arbeiteten ca. 1,4 Millionen Frauen im privaten Hausgewerbe, wobei im Laufe des Krieges ungefähr 400.000 Frauen in andere Branchen abwanderten. Insgesamt arbeiteten von 1914 bis 1918 792.000 Frauen in der Industrie. Dadurch dass Frauen zur kriegswichtigen Produktion benötigt wurden, wurde mit frauenspezifischen Rollen und Erwartungen aufgeräumt . Trotz aufgeweichter Geschlechterrollen wurden kaum emanzipatorische Effekte erzielt. So war es weiterhin die Ausnahme, den Frauen das gleiche Gehalt auszuzahlen wie den Männern, was vor allem in den Munitionsfabriken zu sehen sein wird. Bevor jener Beschäftigungsboom aber aufgetreten war, herrschte nach dem Kriegsausbruch zuerst eine große Arbeitslosigkeit und die Industriezweige, die vor dem Krieg vor allem Frauen beschäftigt hatten, traf es besonders hart . Die durchschnittliche Preiserhöhung bei den Lebenserhaltungskosten betrug 30%, wohingegen die meisten Gehälter schrumpften; lediglich kriegswichtige Industriezweige bezahlten ihren Arbeitern im Kriegsverlauf einen höheren Lohn. Ebenso zwang die wirtschaftliche Krise vom Jahre 1914 viele Männer zum Kriegsdienst, da ihre Einkünfte und Ersparnisse mit der ansteigenden Inflation nicht mehr standhalten konnten. Somit wurden auf der einen Seite Arbeitsplätze frei, die zu schlecht bezahlt waren, um die Wirtschaftskrise abzufedern. Auf der anderen Seite besteht auch die Möglichkeit, dass arbeitslose Männer erst durch den Kriegsdienst in Lohn und Brot kamen. Ersteres deutet allerdings darauf hin, dass Frauen, die jene Arbeitsplätze einnahmen, nicht in der Lage waren, sich selber unabhängig zu finanzieren, sondern weiterhin auf Unterstützung angewiesen waren.

Wie sehr die Arbeitswelt von der weiblichen Sphäre immer noch getrennt war, erkennt man an einem Zitat aus folgendem Zeitungsartikel: „Rose Lowe, among others, ‚did not even know what jobs there were in that great big world outside her world’“ . Dieses nicht vorhandene Wissen über eine Welt außerhalb der Welt dieser jungen Dame macht deutlich, dass es für eine Gruppe von Frauen keinen Zugang zu der Welt außerhalb ihrer häuslichen Tätigkeiten gab. Die Einstellung der Feministinnen, dass man für eine Gleichberechtigung in sämtlichen Bereichen kämpfen müsste, war somit keine Einstellung, die unbedingt in jeder Frau fest verankert war. Viele empfanden gar nicht das Verlangen, an dem traditionellen Rollenmuster zu rütteln.

Auf der anderen Seite gab es aber auch viele Organisationen der Frauenbewegung, die die Unabhängigkeit und Ungleichberechtigung ändern wollten. In der ILP (Independent Labour Party) – eine Vorreiterin der radikal-feministischen WSPU (Women’s Social and Political Union) –  gab es bereits bedeutende weibliche Mitglieder, die allerdings nicht aus der Arbeiterklasse emporstiegen. Diese Tatsache stellte ein Problem dar, welches in der traditionsreichen Klassengesellschaft Englands lag. Während Frauen aus der Arbeiterklasse in der Regel im Haushalt tätig waren und somit dem klassischen Frauenbild entsprachen, hatten die Frauen des Mittelstandes die Möglichkeit, sich mit anderen Dingen, wie Kunst und Muße zu beschäftigen. Wenn Frauen der Arbeiterklasse die Zeit und Möglichkeit fanden, sich nicht nur dem Haushalt zu widmen, sondern auch anderen Tätigkeiten, so setzte spätestens die Geburt eines Kindes dem ein Ende. Dementsprechend war die Frauenbewegung keine einheitliche, gemeinsame Angelegenheit, weil der Unterschied der Klassen dazu führte, dass Mittel- und Oberschichtsfrauen ein Wahlrecht forderten, wie es zu jener Zeit vorhanden war. Dieses war an Besitz und Einkommen gekoppelt, was die Arbeiterfrauen und arbeitslose Frauen ausschloss .

Dennoch wurden sich viele Frauen mit der Zeit selbst bewusst, dass die Unterordnung unter der Männerwelt ungerechtfertigt war. Dadurch dass sie während der Kriegsjahre dieselbe Arbeit wie die Männer machten und diese noch nicht einmal schlechter , wurde die Ungerechtigkeit der weiblichen Unterdrückung erkennbar. Dementsprechend konnte auch ein Zuwachs an weiblichen Gewerkschaftsmitgliedern verzeichnet werden. Die ersten standes- und geschlechterübergreifenden Demonstrationen traten 1915 im schottischen Clydeside auf. Bei den Demonstrationen konnten die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter durchgesetzt werden, die sich für geringere Mieten einsetzten. Ihre Machtstellung bestand darin, dass die Politiker die Waffenproduktion gefährdet sahen, wenn sie die Bedingungen nicht erfüllten. Weitere emanzipatorische Gedanken sollten mit der Zeit entstehen. So forderten Frauen, dass die Gewerkschaften der Männer auch Frauen zulassen sollten; ebenso sollten die Frauen, die nun die Männerarbeit machten, die gleichen Löhne bekommen; außerdem sollten Frauen die Möglichkeit erhalten, eine Industrieausbildung zu absolvieren. 

Bei den Verdiensten und den Bildungschancen gab es große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Frauen verdienten bei weitem weniger als die männlichen Arbeiter: der Unterschied betrug häufig 50%. Außerdem lagen die Arbeitszeiten nicht selten bei 18 Stunden am Tag, um auf einen Lohn zu kommen, der die nötigsten Bedürfnisse abdecken sollte . Die Bildungsmisere war bereits in der viktorianischen Ära ein Thema und es gab Bestrebungen, jenen Zustand zu verbessern. Einige betrachteten die Verbesserung der Bildung in Verbindung zu einem Wahlrecht, das bis dato der männlichen, besitzenden Bevölkerung vorbehalten war. Bis 1914 waren die Universitäten Oxford und Cambridge die einzigen höheren Bildungseinrichtungen, die Frauen den Zugang zu höheren Positionen verwehrte .

Somit forderten viele Frauen mehr Möglichkeiten, sich von den Einkommen der Männer und anderen Abhängigkeiten zu befreien. Eine Forderung war die Empfängnisverhütung und die damit verbundene Möglichkeit der Kontrolle einer eventuellen Schwangerschaft. Eng verknüpft mit dem Thema der Empfängnisverhütung waren auch andere Themen, die Kontroversen in der englischen Gesellschaft auslösten. So wurden Fragen nach einer gemeinsamen Verantwortung für das häusliche Leben gestellt, wohingegen Gegner in Frage stellten, wozu dies nützen sollte und wozu Frauen sich überhaupt organisieren müssten . Je mehr Frauen während des Krieges in den Fabriken gebraucht wurden, desto konkretere Forderungen wurden auch für ihre Arbeitsbedingungen gestellt. Für Mütter, die arbeitstätig waren, sollten Möglichkeiten geschaffen werden, ihre Kinder zu beaufsichtigen und zu versorgen. Aufgrund der Überlegung, dass Frauenarbeit von Vorteil sein kann, vor allem wenn sie einen Lohn erhalten, der es ihnen ermöglicht ausreichend Nahrung zu erhalten, führte zu folgenden Vorschlägen: 1.) Es soll einen gleichen Mindestlohn für Männer und Frauen geben. 2.) Wie bereits zuvor verlangt, soll es für beide Geschlechter den gleichen Lohn für dieselbe geleistete Arbeit geben. 3.) Es soll kein vorherrschendes Recht der Männer auf irgendeine Beschäftigung geben. 4.) Der Staat soll für die Versorgung und Fürsorge der Kinder sorgen. 5.) Ebenso soll der Staat für die Älteren, Gebrechlichen und Kranken sorgen, weil es nicht wünschenswert ist, wenn diese auf private Unterstützung angewiesen sind .

Allgemein war die Haltung gegenüber Frauenarbeit allerdings nicht positiv. Frauen seien aufgrund ihrer physischen und psychischen Konstitution für gewisse Tätigkeiten besser und für andere weniger genug geeignet gewesen. So wurden sie vor Ausbruch des Krieges weniger für körperlich anstrengende Arbeiten eingesetzt, als für Beschäftigungen, die sich im häuslichen und familiären Raum abspielten. Im Bezug auf ihre psychischen Gegebenheiten war man der Auffassung, dass sie gegen Mobbing, Partnerwechsel und Obszönitäten kein oder wenig Unbehagen hegen würden. Ihre körperliche Gesundheit andererseits wurde als wichtiger als die des Mannes angesehen, da die Frau körperlich fit sein müsse, um Kinder zu gebären. Deshalb wurden Frauen von den Minentätigkeiten abgezogen, wodurch sie allerdings die gut bezahlten Positionen verloren und keine oder nur unterbezahlte Frauenarbeit übrig blieb .

Während der Kriegsjahre stellte sich allmählich eine dezidiertere Haltung gegenüber Frauenarbeit ein . So wurden Meinungen über eine allgemeine Untauglichkeit der Frauen am Arbeitsplatz durch praktische Beispiele verdrängt. Lediglich Unerfahrenheit und Unvorsichtigkeit, die jedoch auch bei Männern vorkamen, stellten ein Risiko dar . Ein Grund dafür, dass der Zustand der Arbeitsverteilung, der während des Krieges herrschte, nach dem Krieg nicht fortgesetzt wurde, lag anscheinend in den Vorurteilen der Männer, Industriellen und Arbeitern. Die Rolle der Frauen, obwohl sie sich als gute Arbeiterinnen herausstellten, wurde weiterhin auf die Rolle der Hausfrau und Mutter beschränkt .

Im Folgenden werden drei Beschäftigungsfelder im Zusammenhang mit möglichen emanzipatorischen Effekten und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen näher betrachtet. Dabei liegt der Fokus auf Frauenarbeit in der Landwirtschaft, als Krankenschwester und in den Munitionsfabriken, um potenzielle Veränderungen und tatsächliche Neuerungen zu untersuchen.

3.1. Frauenarbeit in der Landwirtschaft

Generell standen sich beide Sphären Stadt und Land konträr gegenüber. Unter anderem weil die ländlichen Regionen wirtschaftlich schwächer waren, stand es in Opposition zu den wirtschaftlichen stärkeren Gegenden in den meist größeren Städten. Zudem verdienten die Arbeiterinnen auf dem Land sehr wenig und blieben in ihrem gewohnten Arbeitsbereich. Somit waren emanzipatorische Effekte von vorneherein sehr schwierig zu erzielen, da die nötigen finanziellen Mittel und Horizonterweiterungen fehlten, einerseits um sich finanziell abzunabeln und andererseits zu erkennen, dass Frauen eine ebenso wichtige Rolle in der Wirtschaft spielen können wie die Männer. Positive Aspekte, die mit der Ländlichkeit verbunden wurden, waren ein Gefühl nach Heimat, Frieden und Regeneration. Auf der anderen Seite stand das Land aber auch für Rückständigkeit, Ignoranz und Stillstand. Frauen, die sich den Verhältnissen auf dem Land annahmen, prangerten jene Rückständigkeit häufig an. Manche verlangten, dass Frauen auf dem Land erst einmal lernen müssten, sich um sich selbst zu kümmern und dabei von niemandem bevormundet zu werden. Weiterhin sollte die Bildung, Wasserversorgung und Krankenversorgung verbessert werden .

Im Gegensatz zu anderen Beschäftigungsfeldern war die Feldarbeit somit in der Landwirtschaft nicht hoch angesehen. Hinzu kam, dass durch neue Beschäftigungsmöglichkeiten in der Industrie eine große Konkurrenz geschaffen wurde, wo in der Regel ein höheres Gehalt möglich war. Allerdings wurde England aufgrund der Seeblockade der deutschen Marine dazu gezwungen, sich weitestgehend selbst zu versorgen und gegenüber Importen unabhängiger zu werden. So musste mit der Zeit mehr Aufmerksamkeit auf die Agrarwirtschaft und Lebensmittelproduktion gelenkt werden. Trotzdem wurde den Feldarbeitern aber kein höherer Lohn ausgezahlt . Obwohl sich also an der traditionellen Rollenverteilung auf dem Lande nicht viel verändert hat, sind die Geburten- und Heiratsraten dort tendenziell niedriger als in wirtschaftlich starken Regionen .

Daher ist hier eine sich widersprechende Entwicklung erkennbar. Während auf dem Land kaum Aktionen gegen die traditionelle Rollenverteilung abgehalten wurden, deutet die niedrige Geburten- und Heiratsrate darauf hin, dass verständlicherweise aufgrund der schlechten Wirtschaftslage zuerst die eigene Versorgung mit den nötigsten Bedürfnissen sichergestellt wurde. Des Weiteren bedeutet dies, dass eine bessere und ausreichende finanzielle Lage der Frauen in eine höhere Geburten- und Heiratsrate resultieren würde, was vor allem in den wirtschaftlich starken Regionen zu beobachten ist. Diese Entwicklung lässt vermuten, dass die anhaltende und fortschreitende Industrialisierung mit ein Grund ist, warum sich Frauen erst emanzipieren konnten, weil das Bewusstsein für eine Gleichberechtigung und finanzielle Grundlagen für eine Unabhängigkeit geschaffen werden konnten.

3.2. Frauen als Krankenschwestern an den Kriegsschauplätzen

Generell ist der Dienst als Krankenschwester eine von wenigen Möglichkeiten gewesen, sich aktiv am Krieg zu beteiligen und einen Beitrag an diesem zu leisten. Der Wille war unter der weiblichen Bevölkerung durchaus vorhanden, sich am Kriegsgeschehen zu beteiligen, so dass es im Kriegsverlauf sogar weibliche Soldaten gab, die allerdings mit Argwohn und Abneigung behandelt wurden . Frauen, die am Krieg durch Sanitätsdienst teilnehmen wollten, wurden von der englischen Armee anfangs ebenfalls brüsk abgewiesen, so dass nur der Weg über das Rote Kreuz, Order of St. John oder dem VAD (Voluntary Aid Detachment) übrig blieb. Der VAD, der erst im Laufe des Krieges ins Leben gerufen wurde, war eine Organisation des Militärs und es war für die Frauen des VADs äußerst wichtig, den Abläufen der Armee Folge zu leisten.

Die Frauen, die sich auf diese Weise engagierten, wurden durch die strenge hierarchische Struktur nicht nur in ihrem Rollenverhalten als fürsorgliche Mutter belassen; ebenfalls wurde diese Rezeption bewusst genutzt, um damit Propaganda zu machen. Das Bild der Frauen vom Roten Kreuz wurde dementsprechend mit Mut, Schönheit, Ernsthaftigkeit, Effizienz, aber auch Freude und Heil für die verwundeten Soldaten verbunden, um vor allem Propaganda für die Heimatfront zu machen. Mehrere Poster und Flyer zeigen, dass die Rolle der Frau außerdem zu einer der Heiligen, Maria-ähnlichen Frau stilisiert wurde. So erhielt die Weiblichkeit nicht nur eine enorme Religiosität, sondern auch eine Fokussierung auf die fürsorgliche Mutterrolle, die sich um die Kinder zu Hause oder um die Soldaten an der Front kümmern sollte. Dass die Frau in der Gesellschaft propagandistisch als Heroin und Übermutter dargestellt wurde, diente unter anderem der Motivation für die Soldaten, damit sie wussten, dass sie für das Vaterland und deren Bevölkerung kämpften.

Nichtsdestotrotz wurden die Frauen dadurch zum ersten Mal auch als kriegswichtige Faktoren wahrgenommen. Auch wenn dieses Bewusstsein mehr mit Ausnutzung zu tun hatte und niemand plante, den Krankenschwestern durch ihren Dienst gleiche Rechte zu verschaffen, so kann man zumindest von Berührungspunkten zwischen männlichen Sphären – den Kriegsschauplätzen – und Frauen sprechen. Jedoch arbeiteten die meisten Organisationen auf freiwilliger Basis, was bedeutete, dass nur die Frauen sich engagieren konnten, die die finanziellen Mittel dazu besaßen. Die Krankenschwestern der VAD bestanden hauptsächlich aus Frauen der Mittel- und Oberschicht, da die Offiziellen der VAD dachten, dass England am besten durch sie und nicht durch die Arbeiterfrauen repräsentiert werden würden .

Zwar spielen die Krankenschwestern während des Krieges eine wichtige Rolle, jedoch zeigen einige Faktoren, dass die Geschlechterrollen sich während des Krieges durch den Dienst als Krankenschwester nicht sonderlich geändert haben. Vielmehr wurde die Rolle der Frau für den Krieg benutzt und ihr Aktionsradius ausgeweitet. Eine Gleichberechtigung konnte somit unter den Krankenschwestern des VAD und auch des Roten Kreuzes nicht erzielt werden.

3.3. Frauen in den Munitionsfabriken

Zum Vergleich zu den positiven und negativen Attributen des Landes gab es auch Charakteristika, die man dem Stadtleben zugeschrieben hat. Das negative Bild wurde mit der Entartung der Moral, Schmutz und Zerfall verbunden. Auf der positiven Seite sah man Fortschritt, intellektuelle Errungenschaften und sozial-politische Herausforderungen.

Dem gegenüber stehen Zahlen, die belegen, dass die Rollenverteilung im Bereich der Familie durch wirtschaftliche Stärke gestützt wurde, so dass weder von Fortschritt noch von Entartung der Moral gesprochen werden kann. Für Frauen im Alter von 20 bis 24, die in einem Gebiet wohnten, in dem Kohle abgebaut wurde, bestand eine erhöhte Möglichkeit zu heiraten und Kinder zu bekommen. Ein ähnlicher Effekt ist in Gegenden feststellbar, in denen Fabriken vorhanden sind . Männer arbeiteten, während Frauen kaum Arbeit fanden, sondern sich um den Haushalt und die Kinder kümmerten, von denen es in diesen Gebieten überdurchschnittlich viele gab .

Dieser Effekt kehrte sich allerdings schnell um, als die Männer in den Fabriken in den Kriegsdienst berufen wurden und die Frauen die Arbeitsplätze der Männer übernehmen mussten. Ab Sommer 1915 war der Bedarf an Munition stark angestiegen, wobei männliche Arbeiter seltener wurden, da diese an der Front gebraucht wurden. Somit war für den weiteren Kriegsverlauf kaum eine andere Möglichkeit vorhanden, als Frauen in den Munitionsfabriken einzustellen. Diese Initiative wurde von der Regierung initiiert und mit den Gewerkschaften ausgehandelt, so dass Frauen und junge Männer an Maschinen arbeiten durften, an denen zuvor nur erwachsene Männer gearbeitet hatten. Jedoch war diese Maßnahme lediglich für die Zeit des Krieges beschränkt. Mit der Zeit breitete sich der Einfluss der Regierung mehr und mehr aus, so dass bis zum Sommer 1915 die Regierung bis zu 20.000 Munitionsfabriken kontrollierte und für die Zeit des Krieges das Recht auf Streik aussetzte. Darüber hinaus war sie auch für die Ausbildung und Gesundheit der dort Beschäftigten verantwortlich. Ab Oktober 1915 wurde zudem die Ausbildungsphase verkürzt und die Arbeitgeber wurden von der Regierung angewiesen vermehrt auf weibliche Arbeitskräfte zu setzen. Im Juli 1915 waren 121.000 Frauen in Regierungsarbeit oder Kriegsarbeit beschäftigt. Drei Jahre später, im Juli 1918, stieg diese Zahl bis auf 534.000 Frauen an. Dadurch war erst die Wehrpflicht vom Januar 1916 möglich und die Knappheit an Munition konnte bis zur Mitte 1916 behoben werden. Trotz dieser immens wichtigen Rolle, die die Frauen zur Kriegsproduktion beitrugen, war die Rolle der Frauen in der Gesellschaft immer noch die der Hausfrau und Mutter.

Die Entwicklung der Beschäftigung in den Fabriken war Folgende: anfangs wurden gelernte Kräfte für den Kriegsdienst herangezogen, so dass die Arbeiter, die zuvor unter diesen arbeiteten deren Plätze einnahmen und Frauen wiederum die einfachen Arbeiten übernahmen. Diese Entwicklung setzte sich bis 1918 fort, so dass auch Frauen in den mittleren Beschäftigungen eingesetzt wurden. Durch diese allmähliche Weiterbildung und Verbreitung der arbeitenden Frauen wurde das Argument der ungelernten Frauenarbeit eigentlich entkräftet . Schlussendlich wurden ca. 1 Millionen Frauen in Fabriken beschäftigt, von denen ca. 700.000 Männer an den Arbeitsplätzen ersetzten.

Für den Kriegsverlauf und die Produktion von kriegswichtiger Ware wurden jedoch auch mit der Zeit die arbeitstechnischen Verbesserungen und Beschränkungen der Arbeitszeit fallen gelassen und weniger beachtet. So waren sanitäre Anlagen häufig nicht für beide Geschlechter ausgestattet, Klimaanlagen sorgten nicht für eine angemessene Belüftung und Kantinen waren entweder zu klein oder gar nicht erst vorhanden . Dadurch litten einige Frauen mit zunehmender Belastung an physischen und psychischen Verschleißerscheinungen, so dass einige ihre Arbeit aufgeben mussten. Die Industriearbeiterinnen verdienten dadurch zwar mehr Geld, mussten dafür aber gefährlichere Tätigkeiten ausüben. Allerdings brachten die neuen Beschäftigungsfelder erstmals für eine breite Masse an Frauen die Möglichkeit, finanziell unabhängig zu werden und einen wichtigen Faktor im Wirtschaftsalltag zu spielen . Dass viele privat geführte Unternehmen aber weiterhin Bedenken gegenüber der Einstellung weiblicher Arbeiter hatten wird deutlich, indem man sich anschaut, dass bis Oktober 1916 der Anstieg in privaten Unternehmen nur 36 % an Arbeiterinnen betrug, während in staatlich geführten Unternehmen ein Anstieg um 300 %  zu verzeichnen war .

Barbara Drake, die während des Ersten Weltkrieges eine der wenigen weiblichen Fabrikkontrolleurinnen war, war an zwei großen Untersuchungen in den Kriegsjahren beteiligt. Sie stellte unter anderem fest, dass geringe Löhne für Frauen auch in geringen Löhnen für die Männer resultierten und somit Männer der Arbeiterschicht ebenso ausgenommen werden würden. Deshalb schlug die Frauenrechtlerin Clementina Black vor, dass diese Arbeiterinnen und Arbeiter höhere Gehälter bekommen sollten. Jene Arbeit wäre nicht nur eine mögliche Unabhängigkeit für Frauen, sondern auch für Männer, die kaum genug Geld verdienten, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Ebenfalls dachte sie darüber nach, dass sich Frauen der Arbeiterklasse und der Mittelschicht zusammen finden sollten, damit gemeinsame Aktionen in beiderlei Interesse durchgeführt werden könnten . Es gab auch erste emanzipatorische Erfolge im Zusammenhang mit gewerkschaftlichen Aktionen. Beispielsweise konnte die Amalgamated Society of Engineers erreichen, dass Frauen den gleichen Lohn für ihre Arbeit wie die Männer erhielten. Jedoch war dieser Tarifvertrag nur für die Zeit des Krieges beschränkt und wurde dementsprechend bei der Rückkehr der Männer von der Front aufgehoben. Dadurch dass in den Fabriken Frauen verschiedenster Herkunft und Schicht arbeiteten, wurden ebenso die Unterschiede, Konflikte und Differenzen der englischen Klassengesellschaft zumindest in den Fabriken teilweise ausgeblendet .

Dass dies allerdings die Ausnahme war, sieht man an den Beschlüssen der Regierung mit den Gewerkschaften, die zum größten Teil die Interessen der Arbeiter vertraten und die Arbeiterinnen vernachlässigten. Das Treasury Agreement von 1915 sollte dabei vor allem garantieren, dass die Gehälter für die Arbeiter, die nach dem Krieg wieder an ihre alten Arbeitsplätze zurückkehrten, nicht zu niedrig ausfiel, dadurch dass viele Frauen nun ihre Arbeit verrichteten. Dennoch wurde der „männliche“ Lohn für die Arbeiterinnen nicht beibehalten, sondern erhielten die Frauen meistens das Gehalt, welches für jugendliche Arbeiter vorgesehen war. Dadurch und wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten kam es zu großer Unzufriedenheit. Organisationen der Frauenbewegung und Gewerkschaften forderten dementsprechend, dass Frauen in der Munitionserzeugung über 18 Jahren nicht weniger als 1 £ in der Woche und eine ordentliche Ausbildung erhalten sollten; ebenso lautete eine Forderung, dass für Arbeitsplätze nach dem Krieg gesorgt werden sollte. Jedoch wurden diese Forderungen nicht oder nur halbherzig umgesetzt. So dauerte es bis Februar 1916, dass Gehälter auf Beschluss der Regierung angeglichen werden sollten, was allerdings von Gewerkschaften zurückgewiesen wurde, da ihrer Meinung nach Frauen aufgrund besonderer Überwachung und Beaufsichtigung bedurften. Auch deshalb war die Meinung weit verbreitet, dass Frauen unabhängig von ihrer Arbeit weniger verdienen sollten .

Auch die Hierarchie der englischen Klassengesellschaft spiegelte sich in der Unternehmensstruktur wieder. So waren Frauen aus der Arbeiterklasse größtenteils auch ungelernte Arbeiterinnen, wohingegen Frauen aus der Mittel- und Oberschicht Beschäftigungen, wie z.B. als Aufseherin oder Werkmeisterin, übernahmen. Obwohl diese Arbeiten nicht körperlich anstrengten, sondern eher eine Frage des Status waren, bekamen diese „Arbeiterinnen“ wesentlich mehr Geld als die Frauen an den Maschinen.

Das Argument, dass Frauen für spezielle Tätigkeiten ungeeignet waren, da ihnen das nötige Know-how fehlte, war in manchen Bereichen durchaus vertretbar. Allerdings beachteten viele, die dieses Argument benutzten, nicht, dass sich mit der Zeit Industriezweige entwickelten, die standardisierte Herstellungsverfahren verwendeten, die für den Massenmarkt produziert wurden. Gerade dort fanden viele Frauen während des Krieges Arbeitsplätze, die jedoch nach dem Krieg zum größten Teil wieder von Männern eingenommen wurden . Jedoch wurden auch viele arbeitstechnische Verbesserungen für eine schnellere und reibungslosere Produktion außer Kraft gesetzt und höhere Lohnforderungen wurden nur schleppend in die Tat umgesetzt.

4. Schlussfolgerung

Die Betrachtung der Frauen, die während des Krieges auf dem Land oder als Krankenschwester tätig waren, hat gezeigt, dass innerhalb dieser Arbeitsplätze kaum mehr Gleichberechtigung und Unabhängigkeit erzielt werden konnte. Fabrikarbeiterinnen hatten dahingegen die finanziellen Möglichkeiten und die nötigen Argumente, um jene Ziele zu erreichen. Allerdings zwängte die Notlage des Landes, welche durch den Krieg gegeben war, die Feministinnen in ein Gerüst, das wenig Spielraum für Demonstrationen und Forderungen während des Krieges übrig ließ. Deshalb wurden häufig Schritte rückwärts gegangen und nur widerspenstig Fortschritte durchgebracht. Als der Krieg vorbei war und die Männer von der Front heimkehrten, wurden die meisten Frauen von ihren Arbeitsplätzen verdrängt und den Männern wieder übergeben. Lediglich ihre angestammten Arbeitsplätze im häuslichen Sektor und in der Landwirtschaft, die sie bereits vor dem Krieg innehatten, blieben übrig . Der Restoration of Pre-War Practices Act regelte die – wie der Name bereits deutlich sagt – Zurückführung der Beschäftigungsverhältnisse, wie sie vor dem Krieg vorhanden waren.

Nach dem Krieg herrschte jedoch eine brisante und explosive Stimmung in der englischen Gesellschaft, so dass viele Reformen und Gesetzte verabschiedet wurden, um Revolten zuvor zu kommen . Die Frauen erhielten in diesem Zuge auch allmählich mehr Privilegien, bis im Jahre 1928 das allgemeine Wahlrecht eingeführt wurde. Insofern kann das Zitat „In the historiography of the First World War women’s work is presented as revolutionary in potential but conservative in impact“ durchaus unterstützt werden.
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